1950 wurde ich in Hamburg geboren. Ein Nachkriegskind wie viele. Die Menschen hatten wieder Hoffnung in die Zukunft und haben viele Kinder bekommen bis 1964, die sogenannten -Baby- Boomer-. Als es die ersten Klassensprecher-Wahlen in Hamburg gab, wurde ich von meinen Klassenkameraden:Innen zur Klassensprecherin gewählt. Ich wollte gar keine Klassensprecherin werden, aber eine Schulfreundin hatte mich vorgeschlagen. Es wurden mehrere Schüler:Innen vorgeschlagen und ich bekam die höchste Anzahl der Stimmen. Mich selber hatte ich nicht gewählt und hatte auch nicht damit gerechnet, gewählt zu werden.
Warum erzähle ich das hier? Weil es entscheidend für mein weiteres Leben war. Als ich dann selber Kinder hatte und die in den Kindergarten kamen, wurde ich wieder bei Wahlen vorgeschlagen. Wir waren inzwischen nach Niedersachsen gezogen. Obwohl ich auch da keine Ambitionen auf das -Amt- hatte. So wurde ich Eltern-Vertreterin für unsere Kindergartengruppe. Bei der nächsten Wahl wurde ich in den Elternrat des Kindergartens gewählt. Diese Aufgabe machte mir wirklich Spaß, denn wir Eltern konnten tatsächlich etwas bewirken.
Dann kamen meine Kinder in die Schule und auch da hat man mich als Klassen-Elternvertreterin, ohne mein wirkliches Zutun, gewählt. Vielleicht habe ich ein wenig zu viele Fragen auf den Eltern-Abenden gestellt und daher interessiert und engagiert auf die anderen Eltern gewirkt. Jedenfalls wurde ich dann noch in den Stadt-Elternrat von Hannover gewählt. Kurz darauf zogen wir nach Bayern um.
Dort habe ich auf den Elternabenden, so wie der größte Teil der anwesenden Eltern, Fragen -nicht- gestellt und bin ohne ein Amt durch die weitere Schulzeit gekommen. Inzwischen hatte sich -die Zeit- auch verändert und auf dem Gymnasium drängten sich viele der -studierten Eltern- um ein Amt. Im Glauben, dass sie für ihre Kinder einen Vorteil erlangen und auch wirklich erlangten. Eher ein Amt für den eigenen Vorteil und weniger als Hilfe für die anderen Eltern gedacht. Das scheint heute immer noch so zu sein.
Inzwischen waren meine Kinder alt genug, dass ich nicht nur halbtags arbeiten konnte und nahm eine Vollzeitstelle bei einem -Automobil-Zulieferer- in Bayern an. Nach ein paar Monaten wurde dort der erste Betriebsrat gewählt. Die Firma war verkauft worden und gehörte nun zu einem Konzern. Der frühere Besitzer hatte Betriebsratswahlen immer wieder verhindert und war -ein rotes Tuch- für die Gewerkschaft. Für den Konzern war es selbstverständlich, dass ein Betriebsrat gewählt wurde. Von Kolleginnen aus meiner Abteilung wurde ich immer wieder gebeten, mich für diese Wahl aufstellen zu lassen. Es war eine -Listenwahl-, denn es hatten sich von den 1 000 Mitarbeiter:Innen viele zur Wahl aufstellen lassen.
Tatsächlich wurde ich über diese Liste in den Betriebsrat gewählt. Nach kurzer Zeit wurde ich zur stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gewählt, nachdem der vorherige Stellvertreter kein Engagement zeigte. Bei der nächsten Wahl wurde ich die Vorsitzende und bei der Wahl für den Konzern-Betriebsrat und den Aufsichtsrat wurde ich zur Konzern-Betriebsrats-Vorsitzenden und auch in den Aufsichtsrat gewählt. Eine steile Karriere innerhalb einer kurzen Zeit. Im ersten Jahr nach der Wahl habe ich viele Schulungen absolviert. In verschiedenen Ausschüssen war ich aktiv, gewerkschaftlich und auch politisch. Mein Mann hat mich in dieser Zeit ganz besonders unterstützt.
Viele Kolleginnen und Kollegen haben mir in dieser Zeit ihre privaten und beruflichen Probleme anvertraut und ich konnte ihnen fast immer helfen. Meine Aufgaben, mich für andere Menschen einzusetzen, haben mir immer viel Freude bereitet. Für meinen Einsatz und meine Arbeit, die ich für meine Kolleginnen und Kollegen erbracht habe, habe ich viel Zuspruch und Dankbarkeit erfahren. Durch ihr persönliches Verhalten mir gegenüber und auch durch ihr Kreuz an meinem Namen bei Wahlen, haben mir Kolleginnen und Kollegen gedankt. Dankbar zu sein, Dankbarkeit und Anerkennung zu zeigen, ist keine Selbstverständlichkeit und auch ich bin ihnen dankbar für diese Zeit meines Lebens.
Das ist schon einige Jahre her und jetzt ist eine -andere Zeit-. Heute leben wir in einer Zeit, die durch Neid, Hetze und Verunglimpfung von Personen geprägt ist. Warum in -Gottes Namen- haben sich so viele Menschen verändert und warum machen da so viele Menschen mit? Wo ist nur die -Menschlichkeit- hingekommen? Ich hoffe für alle Menschen und besonders für meine Kinder und Enkelkinder, dass sich die Zeit wieder wandelt und die -Menschlichkeit- nicht total verschwindet. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen.
Herzlichst
ihre Karin Peyker