Kapey

Es war 1978. Mein drittes Kind hatte ich zu Hause geboren und als ich zum vierten Mal schwanger war, wollte ich auch dieses Kind zu Hause bekommen. Wenn keine Komplikationen zu erwarten sind und es auch nicht gerade das erste Kind einer Frau ist, halte ich eine Hausgeburt für sehr gut. Aber es war mir auch klar, dass ich kein weiteres Kind mehr bekommen wollte. Das besprach ich telefonisch mit der Hebamme, die bei der dritten Geburt dabei war. „Wenn man im Krankenhaus entbindet, muss man das dem Arzt vor der Geburt mitteilen“, sagte sie daraufhin. „Wenn sie zu Hause entbinden wollen, geht das natürlich nicht.“

Nicht ganz 8 Wochen vor dem Geburtstermin wachte ich am späten Abend, schon nach Mitternacht, mit leichten Wehen auf. Mein erstes Kind kam 6 Wochen vor dem Geburtstermin zur Welt und ich machte mir Sorgen, um das Geburtsgewicht meines 4. Kindes. Wir machten uns also auf den Weg in ein Krankenhaus, denn ich hatte mal in einem Zeitungsbericht gelesen, dass Wehen auch -gestoppt- werden können. Ich war in keinem Krankenhaus zur Geburt angemeldet und so wurde ich als -Notfall- in einem Krankenhaus aufgenommen.

Ich kam sofort in einen Kreißsaal, nachdem alle Formalitäten erledigt waren. Im Kreißsaal daneben schrie und weinte eine junge Frau und man konnte es laut und deutlich hören. Einer Hebamme, die aus dem Neben-Zimmer mit Verbindungstür zu mir kam, erklärte ich meine Umstände und sagte, dass ich hoffe, dass man die Wehen zum Stillstand bringen könnte, um dem Kind mehr Zeit zur Entwicklung im Mutterleib geben zu können. Die Hebamme untersuchte mich, sah mich an und sagte: „Dieses Kind hält niemand mehr auf. Das kommt auf jeden Fall heute noch."

Die Frau im Neben-Zimmer schrie immer noch und die Hebamme entschuldigte sie und erklärte mir, dass es das erste Kind der Frau sei und dass der diensthabende Arzt schon bei ihr wäre. Ich hatte Verständnis für die junge Frau und sagte das auch der Hebamme. Obwohl ich mich selber, bei keiner meiner Geburten so verhalten hatte. Meine Kinder sind alle ohne Schmerzens-Schreie ihrer Mutter zur Welt gekommen. Aber jede Frau empfindet Schmerzen eben anders und verhält sich auch anders bei Schmerzen. Aber die Hebamme war sichtlich genervt vom Geschrei der jungen Frau. Sie ging ins Neben-Zimmer und herrschte die junge Frau an: „Es sind auch noch andere Frauen hier, die ein Kind bekommen. Nehmen sie sich doch zusammen und schreien sie hier nicht so herum.“ Augenblicklich wurde es still und nach kurzer Zeit kam -ein Baby-Schrei- aus dem Nachbarraum.

Die Hebamme und der Arzt kamen etwas später zu mir in den Kreißsaal. Die Hebamme erklärte dem Arzt kurz die Umstände und ich sagte zu ihm, dass ich mich gerne nach der Geburt sterilisieren lassen möchte. „Das müssen sie dem Arzt morgen sagen, der die Nachuntersuchung macht“, sagte er zu mir. Eine Wehe kam und die Hebamme gab mir Anweisungen, was ich zu tun hatte. Aus dem Nebenraum konnte man hören, dass die junge Mutter telefonierte. Sie lachte glücklich und berichtete von der Geburt, als ob gar nichts -schlimmes- gewesen wäre. Ihre Schmerzen waren wie -verflogen- und offensichtlich vergessen. Ja, so ist es immer. Wenn es nicht so wäre, würde keine Frau ein weiteres Kind bekommen.  Bei mir kam noch eine Wehe und mein Mädchen war da. Die Hebamme sah den Arzt erschrocken an: „Das war ja eine 5 Minuten Geburt.“ Inzwischen war es nach 3:00 Uhr in der Nacht.

Etwas später wurde ich mit meinem Bett in einen großen Flur gerollt. Es war noch kein Bett in einem Zimmer für mich hergerichtet worden. Ein Arzt kam nach dem frühen Schichtwechsel an mein Bett und ich sagte zu ihm, dass ich mich sterilisieren lassen will. „Das hätten sie dem Arzt gestern Nacht, vor der Geburt, sagen müssen,“ bekam ich zur Antwort.

Kurz darauf kam eine Krankenschwester der neuen Schicht an mein Bett und fragte, ob mein Bett schon frisch überzogen worden sei. „Nein,“ war meine Antwort. „Sie haben in diesem Bett ihr Kind geboren?“ „Ja", war meine Antwort. „Das Bett ist nicht zerwühlt und komplett sauber, wie haben sie das gemacht?“ „Das ist ja schon mein 4. Kind, ich bin ja schon -geübt- im Kinder kriegen“, lachte ich. „Aber ich möchte sie was fragen. Vor der Geburt habe ich zum Arzt gesagt, dass ich mich sterilisieren lassen möchte und er hat gesagt, dass ich das dem Arzt heute früh sagen soll. Der hat wiederum gesagt, dass hätte ich gestern vor der Geburt sagen sollen. Die wollen mich doch veraschen!“

Die Krankenschwester lachte und kam näher an mein Bett. „Ja, das machen unsere Ärzte immer so. Sie halten Schwangere und Gebärende für nicht zurechnungsfähig und verhindern so, ihrer Meinung nach, eine -übereilte Entscheidung in einer schwierigen Situation-. Sie halten nicht viel von der Urteilsfähigkeit schwangerer Frauen.“ Sie lachte und ging.

Ich wartete meine Nach-Untersuchung und die Untersuchungen und Impfungen meiner Tochter noch ab und verließ danach das Krankenhaus.

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