Kapey

  So begann alles

Das Telefon klingelte. Irgendwie anders als sonst, irgendwie dringlicher, irgendwie lauter, irgendwie wichtiger. Ich wollte das Funktelefon gar nicht aus der Station nehmen. Aber das kann doch gar nicht sein. Ein Telefon klingelt immer gleich laut, so wie es eingestellt ist und sich feige zu drücken, gehört eigentlich nicht zu meinen Eigenschaften. Aber ich hatte ein ungutes Gefühl.

Es war später Nachmittag. Wer ruft um diese Zeit noch bei uns an? Meine Tochter hatte mich schon am Vormittag angerufen, wie sie es fast jeden Tag macht. „Ich will mich nur vergewissern, dass es dir gut geht“, sagt sie dazu, wenn ich einwende, dass sie doch immer viel zu tun hat und ihr die -Telefoniererei- viel Zeit raubt. Mein Mann war schon von der Arbeit daheim. Er ruft mich auch immer mal wieder von der Arbeit aus an. Viele Anrufe sind bei mir gar nicht möglich. Innerhalb der Familie haben wir einen Familienchat und schicken Nachrichten hin und her. Daher sind wir immer unterrichtet und viele Telefonate entfallen dadurch. Meine Freundin Susanne, aus Schleswig-Holstein, ruft auch hin und wieder an. Aber eher am Vormittag. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und durch einen glücklichen Umstand, haben wir uns nach vielen Jahren wieder getroffen und sind seitdem in Verbindung geblieben.

Ich war überrascht, es war meine Tochter Christina. Was war jetzt noch so wichtig, dass sie ein zweites Mal an diesem Tag anrief? Christina erzählte belangloses von den Enkelkinder. Hatte sie das nicht schon heute früh erzählt? Dann sagte sie ganz ruhig: „Mama, setz dich mal hin. Ich muss dir was sagen“. Die Stimme meiner Tochter wurde in meinem Kopf leiser und ich hörte ihr nicht mehr richtig zu. Warum sollte ich mich hinsetzen? Was sollte denn passiert sein, dass ich sitzen sollte? Mir fiel spontan gar nichts ein. Heute früh war doch noch alles in Ordnung. So schnell falle ich nicht um, auch nicht, wenn unvorhergesehenes passiert. Ich bin sehr emotional und ärgere mich, wenn es etwas zum Ärgern gibt und weine, wenn etwas Trauriges passiert und Freudentränen kommen bei mir auch oft vor, aber ich bin noch nie umgefallen.

In der Ferne hörte ich Christina an meinem Ohr sagen, dass eine Verwandte aus Hamburg am Nachmittag angerufen hat, die meine Telefonnummer nicht hatte. „Mama, Wolfgang ist tot“! Ich setzte mich auf meinen Bürostuhl und die Tränen liefen über mein Gesicht.


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