Kapey
Der 27.10.2020

Es war der 27.10.2020 und ich werde das Datum nicht mehr vergessen. Wolfgang war mein jüngerer Bruder. Er war der ältere Zwilling von Hans, meinem anderen Bruder, der vor fast genau einem Jahr gestorben war. Sein Todestag jährte sich in ein paar Tagen, am 01.11. 2020 zum ersten Mal, ging es mir durch den Kopf. Nun war Wolfgang auch tot und dass nur ein paar Monate später, als Hans. Hans, den wir in der Familie alle nur Hansi nannten. Das war sein Kosenamen als Kind, den er als Erwachsener verabscheute und nicht so genannt werden wollte.
 
Mir fielen die Worte unserer Mutter wieder ein. Sie hatte mir oft gesagt: „So unterschiedlich Hansi und Wolfgang auch sind, sie haben mehr gemeinsam, als es scheint. Es passieren ihnen oft die gleichen Dinge, innerhalb kurzer Zeit. Hat sich der eine seine Knie auf geschrammt, passiert das auch nach einiger Zeit dem anderen. Hat der eine etwas kaputt gemacht, geht bei dem anderen auch bald etwas kaputt. Passiert dem einen etwas, kannst du darauf warten, dass dem anderen auch etwas passiert.“ Als Hans gestorben ist, war es für mich daher nur eine Frage der Zeit, wann es Wolfgang trifft und es hat ja dann auch nur ein paar Monate gedauert.

„Mama, bist du noch da?“, hörte ich Christina fragen. „Ja, ich höre dir zu“, antwortete ich und sie erzählte mir, dass man Wolfgang nicht mehr telefonisch erreichen konnte und die Verwandte sich dann an die Polizei wandte. Es passierte allerdings nichts. Die Polizei hielt es nicht für notwendig etwas zu unternehmen. Hamburg ist groß und sie wohnte nicht in der Nähe meines Bruders. Dann meldeten sich Nachbarn bei der Polizei, nachdem sie ihn nicht mehr im Treppenhaus sahen und auch dann passierte -nichts-. Erst nachdem sich unser Cousin bei der Polizei meldete, der außerhalb Hamburgs lebt, da auch er Wolfgang nicht mehr telefonisch erreichen konnte, kamen Beamte zur Wohnung und öffneten sie. Man fand Wolfgang tot im Wohnzimmer, auf der Schlafcouch liegend.

„Mama, mein herzliches Beileid für dich. Erst ist Onkel Hansi und nun auch Onkel Wolfgang gestorben. Zwei Brüder innerhalb so kurzer Zeit zu verlieren, ist hart. Ruhe dich jetzt erst einmal etwas aus. Ich melde mich morgen wieder“, verabschiedete sich Christina von mir. Ich stellte das Telefon auf die Station und ging zu meinem Mann ins Wohnzimmer. Christina und ich hatten lange telefoniert und er wartete bestimmt auf das Abendessen. Er sah mich fragend an, als ich ins Zimmer kam und ich sagte: „Wolfgang ist tot“.


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